Kinos prägen die kulturelle Attraktivität von Innenstädten wesentlich mit. Deshalb wurde 1957 beim Wiederaufbau der schwer kriegszerstörten Stadt Merseburg in das Gebäudeensemble der heutigen König-Heinrich-Straße auch ein neues Kino integriert, das sogar eine damals hochmoderne Visionsbar vorweisen konnte. Tausende Merseburger machten im Kino „Völkerfreundschaft“ ihre ersten Filmerfahrungen, lachten und liebten mit ihren Filmhelden oder fanden selbst ihre große Liebe.
2022 hoffen wir, dass wir, der Förderverein Kino Völkerfreundschaft Merseburg e.V., die jährlichen Merseburger DEFA-Filmtage wie geplant an einem Wochenende im Juni durchführen können. Wir haben das Wochenende 10. bis 12. Juni 2022 vorgesehen. Dann dürften die Temperaturen die Erscheinungen der Corona-Pandemie zurückgedrängt haben und vielleicht können im Domstadtkino, hygienebedingt, wieder alle Plätze besetzt werden. Programmseitig werden wir alles unternehmen, um wie in den vergangenen Jahren viele Bürgerinnen und Bürger aus der Stadt Merseburg und ihrer näheren und weiteren Umgebung in das Kino zu locken.
Damit sich alle DEFA-Film-Interessierten schon jetzt den Termin freihalten, soll es heute erste Informationen zu den ausgewählten Filmen und eingeladenen Gästen geben.
Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, wie erstaunt Dieter Mann war, dass der Saal 1 im Domstadtkino bis auf den letzten Platz besetzt war und ihm so viel Sympathie entgegengebracht wurde. Wir hatte für die Eröffnung den DEFA-Film „Glück im Hinterhaus“, nach dem Roman von Günter de Bruyn „Buridans Esel“, ausgesucht. Ein Film, den nicht nur ich gern mochte – zumal mir die Bibliothek, in der Dieter Mann als Bibliothekar arbeitete, sehr bekannt war/ist, denn dort hatte ich mir als Kind die ersten Bücher ausgeliehen. Dieser Film ist für mich ein klassisches Beispiel, wie durch angebliches „Nichts tun“ viel gesagt bzw. ausgesagt werden kann. Ich denke dabei vor allem daran, wie Dieter Mann als Karl Erp zum ersten Mal die Treppe in dem besagten Hinterhaus zu seiner jungen Arbeitskollegin, die seine Geliebte wird, hinauf geht. Es passiert nichts, er geht nur sehr langsam hinauf, aber jede und jeder im Kinosaal kann diese Situation nachfühlen, er begibt sich aus seinem bisherigen Leben hinaus, fängt als Mann von Mitte vierzig, der bereits viel erreicht hat, etwas Neues, ihm völlig unbekanntes an. Da gibt es Zweifel, aber auch den Drang nach dem Neuen, Unbekannten. Und all das lässt sich in dieser Szene so wunderbar nachvollziehen.
Teil 5: DEFA-Filme im Domstadtkino
DEFA auf 35mm
Erstaunt war ich doch, einige, wenn auch recht wenige DEFA-Filme gibt es nur auf der 35mm-Rolle. Das bedeutet, nur noch Kinos, die ihre alte Technik noch besitzen, können diese Filme zeigen. Zum Glück verfügt das Domstadtkino nicht nur über diese Abspieltechnik, im Kino arbeitet Herr Diestel, der diese Technik beherrscht und zusammen mit Andreas Möhwald diese Filme zur Vorführung vorbereitet. So richtige traditionelle Kinostimmung tritt ein, wenn die einzelnen Rollen nicht mehr geklebt werden dürfen, da die Abklebestreifen schon so kurz sind. Dann gibt es halt eine kurze Pause, die unproblematisch und kreativ durch unsere Gäste und das Publikum zum Austausch genutzt wurde.
Teil 4: 23. bis 29. August 2021: Merseburger DEFA-Filmtage als Open Air in der Sixti-Ruine
23. August, 16.00 Uhr „Tanz auf der Kippe“: Einer der letzten DEFA-Filme und einer der DEFA-Filme, die sich mit Hass und Gewalt in der Gegenwart der DDR auseinandersetzen. Ein Film über Jugendliche, der auch nach 30 Jahren relevant ist, der der Frage nach geht, kann sich ein Einzelner gegen seine Kollegen stellen, wenn er von der Richtigkeit seiner Sicht überzeugt ist.
Fotos: Gesprächspartner; Filmgespräch zwischen Barbara Felsmann, Klaus-Dieter Felsmann und Burkhard Raue; typische Regensituation, immer, bevor der Film begann; Blick auf die Sixti-Ruine; Zuschauer; Filmgespräch zwischen Barbara Felsmann, Klaus-Dieter Felsmann, Burkhard Raue
15. Juni 2021: Online-Vorstellung der Broschüre „Wovon wir träumten“ – 75 Jahre DEFA. Eine Zeitreise
Eine Premiere nicht nur für den Förderverein. Fehlende Präsenzveranstaltungen bringen neue Ideen hervor und so präsentierten Vereinsmitglieder die Broschüre, erstellt mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Aufarbeitung, in einem Gespräch vor laufender Kamera Zuschauern, die am Computer saßen. Mit einigen kleineren technischen Mängeln, großer Aufregung und viel Engagement der Beteiligten eine gelungene Premiere.
Teil 2: Kunst zu den Filmtagen: „Mitteldeutsche Filmkulisse“
1. Juni 2021: Vernissage im Kunsthaus Tiefer Keller
Mitglieder des Kunstverein Merseburg e. V. hatten zum Thema „Mitteldeutsche Filmkulisse“ Arbeiten unterschiedlichster Genres geschaffen und ausgestellt. Zum DEFA-Film „Rat der Götter“, teilweise in Leuna gedreht, waren Fotografien zu sehen, die digital bearbeitet worden waren und dadurch das für die chemische Industrie kennzeichnende Rohrsystem überdeutlich machten. „Das Märchen von der Gänseprinzessin und ihrem treuen Pferd Fallada“ wurde gleich zwei Mal Ausgangspunkt künstlerischer Beschäftigung, einmal als bearbeitete Fotografie und einmal klassisch als Malerei. Auch moderne Comics wurden gezeigt. Alina Behnke, die ihr Praktikum im Kunstverein absolvierte, brachte diese Stilrichtung ein.
Teil 1: Startschwierigkeiten
Verschiebungen zu Jahresbeginn
Zu Beginn unserer 16. Merseburger DEFA Filmtage im Jahr 2021 standen zwei Verschiebungen ‒ und aus dem traditionell einen Wochenende wurden eine Woche und drei Wochenenden. Die ursprüngliche Planung für Anfang März 2021 konnten wir schon im Januar aufgeben, doch die Großplakate hingen bereits. Da sich im Juni 2020 die pandemische Lage entspannt hatte, hofften wir auf sommerliches Wetter und gute Bedingungen für Juni 2021. Doch dieser Gedanke wurde nicht Realität, wir mussten weiter verschieben.