19. Merseburger DEFA Filmtage

„Weltall, Erde, Trick“ – 12. bis 14. April 2024

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25,600,60,0,3000,5000,25,800
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Die Dokumentarfilme der DEFA

Staatsauftrag und Authentizität

Am 17. Mai 1946 wird die Filmgesellschaft DEFA als Deutsche Film-AG auf dem Gelände der Babelsberger Filmstudios in Potsdam gegründet, lizenziert von der sowjetischen Militäradministration. Eine ihrer wichtigen Instanzen ist von Anfang an die Abteilung „DEFA-Dokumentarfilm“ als zentraler Produzent mit Staatsauftrag. Das heißt aber nicht, dass hier nur audiovisuelle sozialistische Propaganda produziert wird. Der DEFA-Dokumentarfilm beruft sich auf die selbstbewusste Aussage des britischen Dokumentarfilmers John Grierson:

„Wir sind überzeugt, dass der authentische, in seinem Handeln gezeigte Mensch, die authentische Szenerie dem Film bessere Möglichkeiten der Interpretation der zeitgenössischen Welt sichern, dem Film eine größere Fülle von Material bieten (als der Spielfilm)“. Und so gibt es im DEFA-Dokumentarfilm keine Stunde Null, die Kulturfilmtradition der früheren UFA ist stilbildend und kann unter den neuen Bedingungen zum Beispiel mit Filmen von Ulrich K. T. Schulz zur Blüte gelangen, denn vor 1945 hatte man dem Dokumentarfilm-Genre abseits von offensichtlicher Propaganda ablehnend gegenübergestanden.

Aufarbeitung und Aufklärung

Zeitgemäß produziert die DEFA in den ersten Jahren zunächst Dokus, die sich mit der Naziherrschaft auseinandersetzen und den Neuaufbau der Gesellschaft thematisieren. Besonders Kurt Maetzig tritt hier als Regisseur mit Filmen wie „Vergeßt es nie – schuld sind sie“ (1946) hervor. Er fordert eine wahrheitsgetreue Darstellung der gesellschaftlichen Realität.

Der beginnende Kalte Krieg instrumentalisiert allerdings auch den Dokumentarfilm. Annelie und Andrew Thorndike zeigen in ihren Filmen politische Massenveranstaltungen, etwa „Immer bereit“ (1950) über das Deutschlandtreffen der FDJ und „Freundschaft siegt“ (1952) über die III. Weltfestspiele der Jugend. Der Dokumentarfilm soll nun aufklären, den Fortschritt der Gesellschaft zeigen wie in „Daß ein gutes Deutschland blühe“ (1959) oder den politischen Gegner entlarven wie in „Urlaub auf Sylt“ (1957). Auch Karl-Eduard von Schnitzler, der Mann vom „Schwarzen Kanal“, betätigt sich zu dieser Zeit als Propagandist und Heimatfilmer, etwa mit „Du und mancher Kamerad“ (1956), von den Thorndikes, zu dem er das Drehbuch schreibt.

Anspruch und Alltag

In den 1960er Jahren beginnt man sich auf den unmittelbaren Alltag der DDR zu fokussieren und zu versuchen, an kleinen Ereignissen größere Entwicklungen darzustellen. Zu der Zeit entsteht Winfried Junges Film „Wenn ich erst zur Schule gehe“ (1961). Für Winfried und Traudl Junge ist das der Auftakt zum international beachteten und auch nach der Wende weitergeführten Film-Zyklus „Die Kinder von Golzow“ (1961 – 2006) über eine Schulklasse im Oderbruch. Volker Koepp erreicht ähnliches mit seinen Wittstock-Filmen „Mädchen in Wittstock“ (1975) und „Wieder in Wittstock“ (1976) mit einem Porträt junger Arbeiterinnen. Jürgen Böttcher thematisiert in seinen Filmen „Drei von vielen“ (1961) oder „Wäscherinnen“ (1972) die vorhandene Diskrepanz von offiziellem Anspruch und individuellen Erfahrungen.

Die Sowjetarmee im Blick

Die in der DDR stationierten sowjetischen Streitkräfte sind im DEFA-Dokumentarfilm nur am Rande präsent. „Wir verstehen uns“ (1965) von Gitta Nickel beschäftigt sich mit Zweisprachigkeit in einem deutsch-sowjetischen Kindergarten, in „“Dann springt mein Herz“ (1966) wird das Gesangs- und Tanzensemble der sowjetischen Streitkräfte auf einer DDR-Tour begleitet, „Vera kam mit den Frühlingsblüten“ (1980) porträtiert eine russische Fliegerin, und „Als ich über die Grenze kam“ (1985) behandelt den Zweiten Weltkrieg.

Potential für Tabus

Neben Jürgen Böttcher, Volker Koepp, Petra Tschörtner, Helke Misselwitz und anderen ist Winfried Junge mit seinem Film „Lebensläufe“ (1982) auch ein wichtiger Regisseur der 1980er Jahre. Bisherige Tabuthemen wie Alkoholismus in „Abhängig“ (1983) von Eduard Schreiber, Umweltzerstörung in „Erinnerung an eine Landschaft – für Manuela“ (1983) von Kurt Tetzlaff, geistige Behinderung in „Eisenbahnerfamilie“ (1984) von Karlheinz Mund oder Homosexualität in „Tag für Tag“ (1979) von Volker Koepp zeigen, welches Potential im DEFA-Dokumentarfilm steckt. Die Filme „flüstern & SCHREIEN – Ein Rockreport“ (1988) von Dieter Schumann, und „Unsere Kinder“ (1989) von Roland Steiner sind eindrucksvolle Versuche, die Realität und das Denken und Fühlen von Jugendlichen in einem erstarrten und mit sich selbst ringenden Staat zu verstehen. Roland Steiner sagt zu Beginn seines Films: „Aber es sind Menschen, die ihren Weg suchen.“ und schließt mit den Worten: „Dieser Film ist ein Plädoyer für das Zuhören, das Verstehenwollen, das offene Sprechen, bevor es zu spät ist.“ An dieses Verstehenwollen knüpft 1992 Thomas Heise mit „Stau“ noch einmal an, einem Film über junge Rechtsextreme in Ostdeutschland. Vielleicht kann diese Suche nach Erkenntnis auch für die heutige Zeit gelten, in der sich unsere Welt offensichtlich wieder im Umbruch befindet.

Hinterm Horizont geht’s weiter

Zwischen 1990 und 1992 entstehen noch einmal 75 Dokumentarfilme fürs Kino, dann wird die Abteilung DEFA-Dokumentarfilm im Juni 1997 privatisiert und am 15. Dezember 1998 von der DEFA-Stiftung übernommen, die sich seitdem um das Dokumentarfilmerbe der DDR-Filmgesellschaft kümmert.

Doch auch heute entstehen Dokumentarfilme, die einen genauen Blick wagen, den Menschen zu Wort kommen lassen und Leben sowohl als persönliche als auch als Zeitgeschichte darstellen, an der Entwicklungen, Probleme und Möglichkeiten abzulesen sind. Wir zeigen im Rahmen unserer 17. Merseburger DEFA-Filmtage den Dokumentarfilm „Bettina“ von Lutz Pehnert. Es ist ein Film über die Liedermacherin Bettina Wegner, geboren 1947 in Westberlin, aufgewachsen in Ostberlin, mit 36 Jahren ausgebürgert nach Westberlin, seither „entwurzelt“. Ihr Weg ist ein Weg von Irrungen und Wirrungen hin zu sich selbst – „hin zu einer beseelten Liedermacherin und unverbesserlichen Widerstandskämpferin, die sich ihrer Moral und sonst niemandem verpflichtet fühlt“ (Buschfunk). Es ist ein Stück Zeitgeschichte und wohl die große Geschichte eines selbstbestimmten Lebens.

Burkhard Raue

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