Ein Fazit von drei Tagen Filmfestival und noch einmal drei Tage Schulveranstaltungen, ist so einfach nicht. Es waren sehr schöne Tage, die vor allem durch eine Atmosphäre geprägt waren, die durch ein großes Interesse an den ausgewählten Filmen und Filmgesprächen geprägt war. Viele fanden sich und ihre Zeit in den Filmen wider. Das zeigte sich unter anderem auch an der „Geräuschkulisse“ während der Filme, oft war ein „oh oder „ah“ zu hören, es wurden kurz Erfahrungen ausgetauscht „kannst Du Dich erinnern…“. Ich denke, viele waren auch nach den Jahren der Corona-Einschränkungen glücklich, wieder „ganz normal“ Kultur in Gemeinschaft zu genießen.
Einige Impressionen, die sicher sehr subjektiv sind, sollen einen Überblick geben.
Zuerst die Statistik: 1754 zahlende Besucher kamen zu den Filmveranstaltungen, werden dazu die Ehrengäste zur Eröffnungsveranstaltung, die Lehrerinnen und Lehrer zu den Schulveranstaltungen und sonstige Gäste dazu gerechnet, sind es etwa 1900 Besucher. 21 Veranstaltungen fanden insgesamt statt, davon zwei Lesungen, drei Dokumentarfilme, eine Theateraufzeichnung aus dem Berliner Ensemble und sieben Filme für die Schulveranstaltungen. Gefühlt war das Foyer im Domstadtkino immer voll, überall standen kleine und größere Gruppen von Filmtagebesucher im Gespräch zusammen. Auch der Büchertisch war wieder dabei und es wurden viele Bücher, Film- und Hör-CDs verkauft.
Die Vor-Eröffnung der Merseburger DEFA-Filmtage fand traditionell im Kunsthaus Tiefer Keller zur Vernissage „Fotografien geben Einblicke“ mit Fotos von Jürgen Vogel und Wolfgang Kubak und ganz neu mit einem Konzert von Carmen Orlet und Hugo Dietrich „Lieder im Augenblick“ statt. Dass Stühle zusätzlich geholt werden mussten, spiegelt anschaulich das starke Interesse an dieser Begleitausstellung wider.
Zum ersten Film „Grüne Hochzeit“ konnten Ute Lubosch und Stefanie Eckert begrüßt werden. Wenn auch viele der Zuschauerinnen und Zuschauer ihre „grüne Hochzeit“ schon vor einigen Jahren hatten, konnten sie doch konstatieren: die Probleme junger Menschen beim „Erlernen“ des Zusammenlebens haben sich nicht verändert.
Salon pernod stimmte das Publikum auf die DEFA-Filme ein und spielte bekannte und weniger bekannte Filmmusiktitel bevor Halina Czikowsky und Ulrich Jacobi gemeinsam mit Stefanie Eckert, Schirmherrin der 18., diese Filmtage für eröffnet erklären konnten. „Bankett für Achilles“ sprach nicht nur den nicht so einfachen Übergang vom Arbeitsleben in das Rentnerdasein an, sehr prägend sind die damaligen und auch heutigen Umweltprobleme. Wie geht ein Einzelner damit um, er züchtet resistente blaue Blumen auf der Chemiekippe. Und was macht die Gemeinschaft, die Gesellschaft?
Für den DEFA-Film „P.S.“ musste leider das Filmgespräch ausfallen, Jutta Wachowiak war erkrankt. Vielen war der Film unbekannt und viele kamen mit der Erkenntnis aus der Vorführung, ein starker Film, vor allem starke Frauen – toll.
„Bürgschaft für ein Jahr“ greift ein Thema auf, dass in der DDR existierte, über das aber öffentlich kaum gesprochen wurde. Eine alleinerziehende Mutter mit drei kleinen Kindern kommt mit ihrem Leben nicht zurecht und will doch alles richtig machen. Ein Konflikt, vor dem auch heute nicht nur Mütter stehen. Katrin Sass konnte krankheitsbedingt nicht zum Filmgespräch in das Domstadtkino kommen, aber Christian Steyer machte es möglich, dass Ulrich Jacobi einen interessanten, sehr gesprächigen und ausgezeichneten Kenner der DEFA- Filmproduktion als Gesprächspartner hatte.
„Osceola“ ist ein weniger bekannter DEFA-Indianerfilm, aber einer, der sehr tiefgründig die Probleme nicht nur der Indianer aufgreift. Nachdenklich stimmt das Zusammentreffen von Indianern und schwarzen Sklaven, die sich im Kampf gegen die weißen Ausbeuter zusammenschließen. Ben Hänchen, als Kenner der damaligen und heutigen „Indianer-Szene“, der sich sowohl mit den Mythen als auch der Realität beschäftigt und Gojko Mitic waren ein Gesprächsduo, das nicht allein den Film beleuchtete, sondern auch ihre Positionen zur heutigen Sprachkultur deutlich formulierten.
Im Filmgespräch zum Dokumentarfilm „König hört auf“ sollte die Jugendarbeit von Pfarrer König in Merseburg zur Wendezeit beleuchtet werden. Leider kam es nicht dazu, nicht nur weil der Moderator gewechselt hatte. Schade, es wurde Potenzial durch Lothar König verschenkt.
Im weiteren Dokumentarfilm an diesem Tag „Walter Kaufmann – welch ein Leben“ engagierten sich nicht nur durch ihren Film, sondern auch sehr stark im Filmgespräch Karin Kaper und Dirk Szuszies für ihren Protagonisten Walter Kaufmann. Vielen Zuschauerinnen und Zuschauern war er durch seine interessant erzählten Geschichten über uns unbekannte Welten in der DDR bekannt. Aber sein Leben und sein Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit in dieser filmischen Kompression zu erleben, stimmte sehr nachdenklich.
Der Abschlussfilm für diesen Abend „Bis daß der Tod Euch scheidet“ musste leider ohne Filmgespräch enden. Knut Elstermann machte in seiner Filmeinführung besonders darauf aufmerksam, dass dies der erste Film von Katrin Sass ist. Und auch heute beeindruckt die spielerische Konsequenz und Dramatik, die von den jungen Schauspielern zu bewältigen war und ist. Ihre Aktualität hat weder die behandelte Problematik, Gewalt in der Ehe, noch deren Umsetzung in diesem Heiner-Carow-DEFA-Film verloren.
Der Sonntag wird traditionell mit dem Stummfilm plus Klavierbegleitung durch Güter A. Buchwald eingeläutet. Obwohl „Freudlose Gasse“ mit 148 Spielminuten ein sehr, sehr langer Film ist, gab es nur positive Rückmeldungen. Ein kraftvoller Film über die Verhältnisse im Arbeitermilieu in Wien vor 100 Jahren und vom Pianisten ausdrucksstark begleitet. Die profunden Kenntnisse von Wolfgang Kubak über die Historie des Filmes rundet das Filmereignis ab.